Die Avantgarde wohnt im Tempel

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Beim Einfamilienhaus „AK3“ aus der Feder von Architekt Florian Hertweck war zwar die Herangehensweise eine umgekehrte, doch das Ergebnis ist dasselbe. Hatte der Planer Hanglage, relativ kleines Grundstück (600 Quadratmeter) und entschiedene Wünsche nach maximaler Offenheit seitens der Bauherren zu berücksichtigen, bot er gleich in mehrfacher Hinsicht die nahezu optimale Lösung: „Wir haben das klassische Thema ‚Tempel auf Podium‘ konsequent in die Moderne transferiert“, bringt Hertweck den Ansatz auf den Punkt.

Während sich das Podium tief in den Boden eingräbt und sich nur Richtung Hang öffnet, bietet der darüber liegende Glasbau freien Blick auf das Rheinland zu allen Seiten. „Aufgrund der besonderen Lage war es beinahe ein Muss, durch einen entsprechenden Entwurf eine starke visuelle Verbindung mit der Umgebung einzugehen“, so der Architekt über sein Planungsmotiv. Zugleich wurde der Forderung nach einem möglichst großen Wohnraum (145 Quadratmeter) nachgekommen, in dem alle familiären Aktivitäten wie spielen, essen, kochen, tanzen und Gäste empfangen stattfinden können. Reichhaltige Inspiration fand Hertweck im OEuvre Ludwig Mies van der Rohes.

Den Prämissen folgend, wurde der Entwurf vertikal dreigeteilt in ein Podest, ein Glashaus und den in der dritten Ebene angesiedelten Ausstülpungen. Betont wird diese Dreier-Struktur durch verschiedene Materialien: großformatige dunkelbraune Platten auf Basis thermohärtender Harze einerseits und Kupferelemente andererseits. Deren goldene Oberfläche rührt von einer Legierung aus Kupfer mit Aluminium her. Die Aufsätze bringen ein zweites Element ins Spiel – zwei unterschiedliche Raumtopologien. Dabei wird die horizontale Anordnung von je einem vertikal ausgerichteten Kinder- und einem Elterntrakt durchstoßen, ohne dass diese jedoch mit der äußeren Glasfassade in Berührung kommen – was außerordentliche Offenheit garantiert. Die beiden Bereiche sind deutlich voneinander getrennt und schaffen den Generationen seperate Refugien.

Die Kinder gelangen vom Kern des Glashauses in ihre im Podium befindlichen Räume, während die Eltern durch eine in die Bibliotheksregale versteckte Tür und ein separates Treppenhaus entweder den Büroraum im Podium, die Ankleide im Bibliothekskern oder das Bad und der Schlafraum auf der oberen Ebene erreichen. Ausgefallene Ideen verborgener Räume in Schlössern und Burgen vergangener Tage aufgreifend, lässt der raffinierte Zugangsmechanismus einen Hauch der Tudors und Medicis durch das Haus der Familie Meis wehen. Trotz weitreichender Trennung der Bereiche voneinander gibt es vom Büroraum im Podest aus dennoch einen Übergang in das Kinderreich.
Die Aufbauten der dritten Ebene sind nicht nur rein raumfunktional (hier bildet die eine Box den separaten Aufgang vom Glashaus zur Terrasse, die beiden anderen Boxen dienen als Elternbad und -schlafzimmer), sie schützen auch vor Blicken von den höher gelegenen Häusern aus und sind ein tragendes Element der energetischen Komponente im Entwurf „AK3“.

Die Aufbauboxen fungieren ähnlich wie persische Windtürme oder thermische Anlagen unterirdischer Städte in Kappadokien als effektive, natürliche Entlüftung. An eine Wärmepumpe gekoppelt, die im Sommer flexibel auf Kühlung umschaltet, erübrigt sich eine Klimaanlage.

Die großen Glasflächen des Mittelbaus helfen im Winter selbst bei extremen Außentemperaturen, Heizkosten einzusparen: Bei ausreichender Sonneneinstrahlung werden die Räume derart aufgeheizt, dass die Heizung automatisch ausschaltet. „Das Haus ist tatsächlich ein Ökohaus. Erdbohrungen, eine Wärmepumpe, keine Kältebrücken und hochtechnisiertes Glas lassen Nebenkosten und Umweltbelastung auf ein Minimum sinken“, berichtet Florian Hertweck, der sich im Hinblick auf energetische Anforderungen an Werner Sobeck, Professor am Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren an der Universität Stuttgart und anerkannter Nachhaltigkeits-„Papst“, orientiert hat. Um ein zu starkes Aufheizen im Sommer zu verhindern und im Winter die Wärmeverluste gering zu halten, wurde eine besondere Sonnenschutzverglasung gewählt: Niedrige Gesamtenergiedurchlässigkeit gewährleistet einen adäquaten Schutz über das ganze Jahr.

Der Architekt weiter: „Außerdem sind die Materialien strikt voneinander getrennt, sodass später ein Recycling vollständig möglich ist.“ Architektonische Anleihen an die Antike schließt die Moderne mit all ihren ästhetischen, ökonomischen und ökologischen Prinzipien also nicht aus. Gelungener als beim Haus „AK3“ kann man sich die Symbiose von fortschrittlicher Umwelttechnik und moderner Architektur bei simultaner Zitierung vergangener Tage kaum denken. Obendrein reagierte der Architekt sensibel auf die Geografie und sorgte nicht nur für einen atemberaubenden Ausblick auf die Rheinebene von jeder Etage aus, sondern auch für eine unaufgeregte, gelungene Integration in die Hauslandschaft.

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