Rechte und Pflichten unter Nachbarn
Je kleiner das Grundstück, desto näher die Nachbarn. Wie kommt man auf Dauer gut miteinander aus? Wie lässt sich Streit über den Gartenzaun vermeiden – oder andernfalls schlichten? 15 heikle Fragen rund um das Thema Nachbarschaftsrecht: unter anderem zu lauter Musik, Bäumen, Rasenmähen, Video-Überwachung und offenem Feuer.
Welchen Abstand muss ich beim Bauen einhalten?
Es ist nachvollziehbar, dass Sie Ihrem Nachbarn keine meterhohe Gartenmauer direkt vor dessen Fenster bauen dürfen. Das regeln die Vorschriften zur Grenzbebauung im Nachbarschaftsrecht. Sie dienen dem Frieden, der Privatsphäre, dem Brandschutz und der Wohnqualität.
Bundesweit gibt es keine einheitliche Regelung zu Abständen, in jedem Bundesland gilt etwas anderes. Aber diese Faustregel können Sie sich merken: Der Mindestabstand liegt in den meisten Bundesländern zwischen 2,5 und 3 Metern. Eine Ausnahme stellen Garagen und Carports dar: Sie dürfen auch einen geringeren Abstand zur Grundstücksgrenze haben.
Wieso fährt der Nachbar dauernd über mein Grundstück?
Das kann durchaus sein, nämlich wenn er Wegerecht genießt. Dies ist der Fall, wenn das Grundstück des Nachbarn keinen eigenen Zugang zum Straßennetz hat. Das Wegerecht ist gesetzlich verbrieft und ist in der Regel auch im Grundbuch eingetragen. In diesem Fall darf der Nachbar Ihr Grundstück so oft überqueren, wie er will, zu Fuß oder auch mit einem Fahrzeug. Achten Sie beim Grundstückskauf darauf, ob ein solches Wegerecht im Grundbuch eingetragen ist. Das kann den Kaufpreis mindern – und es bleibt in der Regel bestehen, wenn der Grund in Ihr Eigentum übergeht.
Relevant ist in diesem Zusammenhang auch das Hammerschlags- und Leiterrecht, beides Begriffe aus dem deutschen Nachbarschaftsrecht. Das Hammerschlagsrecht erlaubt es, das Grundstück des Nachbarn zu betreten, um am eigenen Haus Reparaturarbeiten vorzunehmen. Das Leiterrecht gestattet es, bei Bedarf ein Gerüst auf dem Grundstück des Nachbarn aufzustellen und sogar dort Geräte und Materialien vorübergehend zu lagern.
Wann darf ich Rasen mähen?
Oft ein Ärgernis, weil die Regeln eigentlich bekannt sind – aber nicht immer eingehalten werden: Von Montag bis Samstag müssen Rasenmäher und -trimmer, Heckenscheren, Schreder und Vertikutierer zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens schweigen. Die Maschinenlärmschutzverordnung sagt außerdem: Sonn- und feiertags dürfen Sie diese Maschinen gar nicht betreiben. Das gilt genauso für Beton- und Mörtelmischer oder Kreis- und Kettensägen. Noch größere Einschränkungen gelten im Nachbarschaftsrecht für besonders laute Gerätegruppen wie zum Beispiel: Laubbläser, Laubsauger, Freischneider oder Rasentrimmer: Sie dürfen nur werktags zwischen 9 und 13 Uhr und zwischen 15 bis 17 Uhr röhren. Eine Ausnahme bilden Geräte mit EU-Umweltzeichen. Den täglichen Einsatz des benachbarten Mähroboters müssen Sie hinnehmen, wenn die Messwerte auf Ihrem Grundstück den für Wohngebiete geltenden Grenzwert von 50 dB (A) nicht überschreiten und die Ruhezeiten zwischen 13 und 15 Uhr eingehalten werden.
Wie ist die Rechtslage bei Musik und Partys?
Wer Musik hört, muss gegenseitige Rücksichtnahme walten lassen. Das Nachbarschaftsrecht besagt folgendes: Nachts zwischen 22 und 6 Uhr sowie sonn- und feiertags sollte die Musik nicht lauter sein als Zimmerlautstärke. Ansonsten ist der Tatbestand der Ruhestörung erfüllt – und das könnte als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden, falls der Nachbar die Polizei ruft. Wer nachts die Stereoanlage auf volle Lautsärke dreht, muss ebenfalls damit rechnen, dass Nachbarn sich beschweren und empfindliche Bußgelder fällig werden. Wenn Sie länger als bis 22 Uhr Musik spielen wollen, können Sie eine Sondergenehmigung beim Ordnungsamt beantragen. Ein Freibrief zum Krach- machen ist das natürlich nicht, aber bis 24 Uhr darf es lauter sein. Dabei ist es immer nützlich, die unmittelbaren Nachbarn rechtzeitig zu informieren.
Darf mein Kind zu Hause Geige üben?
Ja, das Musizieren im Haus ist grundsätzlich erlaubt. Aber auch hier muss man sich an das Nachbarschaftsrecht halten: Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, dass man sein Instrument grundsätzlich zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen spielen darf. Die Mittags- und die Nachtruhe ist aber einzuhalten.
Können Kinder Ruhestörung sein?
Lärm von spielenden Kindern ist Ausdruck der kindlichen Entfaltung und Entwicklung und den Nachbarn damit grundsätzlich zumutbar. So urteilen praktisch alle Gerichte. Das heißt: Wenn Sie selbst Kinder haben, müssen Ihre Nachbarn das aushalten, selbst wenn die Kids laut sind. Lärm ist nämlich – juristisch betrachtet – eine sogenannte natürliche Lebensäußerung von Kindern. Das müssen Nachbarn hinnehmen, bestätigt der Bundesgerichtshof. Für Kinder gilt übrigens auch keine konsequente Mittags- oder Sonntagsruhe, und Babys haben das Recht, nachts zu weinen oder zu schreien. Für Kinderlärm gilt ein absolutes Toleranzgebot, übrigens auch für Spielplätze und Pausenhöfe in der Nachbarschaft.
Nachbarschaftsrecht und Haustiere: Muss ich lautes Hundegebell ertragen?
An den Vierbeinern scheiden sich oft die Geister, und sie verursachen nicht selten Streit unter Nachbarn. Langes und lautes Bellen sowie womöglich Hundekot samt Geruchsbelästigung gelten juristisch als Immissionen. Man muss sie nicht einfach hinnehmen. Es gibt inzwischen viele Gerichtsurteile zum Streitfall Hundegebell.
Ein besonders aufschlussreiches: Das Oberverwaltungsgericht Sachsen urteilte, dass anhaltendes und häufiges Bellen mehrerer Hunde in einem Zwinger tagsüber wie nachts eine erhebliche Lärmbelästigung darstellt. Die Hunde dürfen zwischen 22 und 6 Uhr gar nicht bellen und tagsüber höchstens eine Stunde. Bellen sie trotzdem länger, muss der Hundehalter sie anderswo unterbringen. In bestimmten Fällen darf die Polizei die Hunde sogar wegnehmen.
Und was ist mit Nachbars Katze?
Als Gartenbesitzer müssen Sie den Besuch fremder Katzen und auch deren Hinterlassenschaften in der Regel dulden. Allerdings darf ein Nachbarhaushalt nicht unbegrenzt viele frei laufende Katzen haben. Ein Gericht in Niedersachsen entschied, dass es höchstens zwei Katzen pro Nachbar sein dürfen. Schadenersatz können Sie aber geltend machen, wenn eine Katze über ihr geparktes Autos läuft und es beschmutzt oder beschädigt.
Wer muss überhängende Äste schneiden?
Wenn die Äste eines Baums, der in Nachbars Garten steht, in den Luftraum über Ihrem Grundstück ragen, müssen Sie das nicht zwangsläufig hinnehmen. Allerdings muss von diesen Ästen eine Belästigung ausgehen, um ihre Beseitigung zu verlangen, heißt es im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Das ist beispielsweise der Fall, wenn Früchte oder Zapfen herunterfallen oder überhängende Äste das Pflanzenwachstum auf Ihrem Grundstück beeinträchtigen.
Was ist mein Recht als Nachbar, wenn das der Fall ist? Zunächst müssen Sie dem Nachbarn die Gelegenheit geben, die Äste in einer angemessenen Frist selbst abzuschneiden. Verstreicht die Frist oder weigert sich der Nachbar, die Äste zu schneiden, kann man sogar einen Gärtner mit dem Stutzen beauftragen – und der Nachbar muss zahlen. Wenn Sie selbst Hand anlegen, müssen Sie fachgerecht vorgehen, sonst droht laut Nachbarschaftsrecht Schadenersatz.
Wem gehören die Äpfel?
Die Antwort ist so einfach wie für viele überraschend: Wem ein Apfelbaum oder Johannisbeerstrauch gehört, dem gehören auch alle Früchte, die daran wachsen. Das gilt also auch für Obst, das jenseits der Grundstücksgrenze über Nachbars Garten hängt. In diesem Fall dürfen Sie über den Zaun langen, um ihre Äpfel oder Beeren zu ernten. Wer einfach fremdes Obst pflückt, macht sich des Diebstahls schuldig. Aber: Fällt das Obst selbst vom Baum, gehört es demjenigen, auf dessen Grundstück es fällt. Doch aufgepasst: Es ist nicht erlaubt, zu diesem Zweck am Stamm oder den Ästen zu rütteln.
Wer beseitigt das Laub?
Wenn im Herbst die Blätter fallen, landen sie gar nicht selten auf Nachbars Grundstück oder werden dorthin geweht. Ansprüche auf eine Beseitigung durch den Inhaber der Baumes hat man in aller Regel aber nicht. Das gilt genauso für Tannennadeln. Die Gerichte betrachten Laub und Tannennadeln meist als ortsübliche, zeitlich befristete und damit zumutbare Verunreinigung. Was eine Katze darf, das dürfen Bäume schon lange!
Darf ich ein offenes Feuer machen?
Das Verbrennen von Gartenabfällen ist bundesweit nicht einheitlich geregelt, hier haben die Bundesländer und zuweilen sogar die Gemeinden höchst unterschiedliche Regeln. Ein offenes Feuer im Garten unterliegt jedoch überall strengen Auflagen und feuerpolizeilichen Vorschriften. Meterhohe Flammen sind im Nachbarschaftsrecht verboten und können mit einem Bußgeld geahndet werden. Kleine Feuer mit Mindestabstand zum Nachbargrundstück und ohne starke Rauchentwicklung sind aber vielerorts erlaubt. Sie vermeiden Ärger, wenn Sie sich bei der Gemeinde darüber informieren, was gestattet und was verboten ist.
Es ist auch sinnvoll, sich mit Ihrem Nachbarn zu verständigen. Zieht beispielsweise dichter Rauch auf dessen Terrasse oder gar durch offene Fenster, kann er sich mit Recht belästigt fühlen. Gegen das Grillen im eigenen Garten kann ein Nachbar allerdings nicht vorgehen, sofern sich die Zahl der Grillevents in einem vernünftigen Rahmen hält.
Ist es mein Recht als Nachbar, mein Grundstück per Video zu überwachen?
Es ist prinzipiell erlaubt, Kameras aufzustellen, um damit das eigene Grundstück zu überwachen. Allerdings sind Sie in diesem Fall verpflichtet, ein Schild aufzuhängen, das auf diese Maßnahme hinweist. Gesetzlich geregelt ist aber auch, was für Ihre Überwachungskamera tabu ist: Öffentliche Bereiche wie Bürgersteige dürfen nicht gefilmt werden, und auch Nachbargrundstücke dürfen nicht im Bild sein.
Welche Regelungen gelten für Drohnen?
Klarer Fall: Drohnen mit mehr als 250 Gramm Gewicht dürfen laut Nachbarschaftsrecht nicht über Wohngrundstücke fliegen. Gleiches gilt für alle Multicopter, die Ton- oder Filmaufnahmen machen können. Denn es verletzt das Persönlichkeitsrecht, eine Flugdrohne über das Nachbargrundstück zu steuern und Fotos zu machen. Besonders die nicht einsehbaren Bereiche eines Grundstücks sind typische Rückzugsorte, die man nicht ausspähen darf. Einzige Ausnahme: Der Pilot hat die Zustimmung aller Bewohner eingeholt, deren Grundstück er aus der Luft aufnimmt.
Wer holt den Fußball aus Nachbars Garten?
Schießen Kinder beim Spielen einen Ball in Nachbars Garten, dürfen sie nicht einfach über den Zaun klettern, um ihn wieder zu holen. Korrekt ist vielmehr dieses Vorgehen: Sie müssen nebenan klingeln und nach dem Ball fragen. Der Nachbar wiederum ist verpflichtet, den Ball zurückzugeben. Er hat nicht das Recht, ihn zu behalten oder etwa das Spielen zu verbieten.
Natürlich gibt es noch viel mehr Gründe, warum Nachbarn sich in die Haare kriegen: Weil der Gartenzwerg einen Stinkefinger zeigt oder die Weihnachtsdeko von nebenan nachts im Schlafzimmer blendet oder ein drei Meter hohes Trampolin die Gartenatmosphäre über den Zaun hinweg zunichtemacht. Und nicht wenige Dispute sind so kleinlich oder absurd, dass man den Streithähnen (und –hennen) als Ausweg einfach nur wünschen möchte, von ihrem gesunden Menschenverstand Gebrauch zu machen.
Nachbarschaft: Rechte und Pflichten auf einen Blick
Wenn Sie mit Ihrem Nachbarn über Kreuz sind, sollten Sie einige Dinge besser nicht tun: den Kontakt mit ihm einstellen, kleinere Nadelstiche setzen oder gar zur Selbstjustiz greifen. Auch wenn es manchmal schwer fällt: Man sollte das Gespräch über den Gartenzaun suchen und sich lieber um Deeskalation bemühen, als noch Öl ins Feuer zu gießen.
Wenn Sie das Kriegsbeil ohne fremde Hilfe nicht begraben können, bleiben Ihnen als Ausweg die Schlichtung, eine Mediation und – als Ultima Ratio – eine Zivilklage. Doch die ist in den meisten Bundesländern heute gar nicht mehr zulässig, ohne zuvor eine Schlichtung unternommen zu haben. Auf diese Weise sollen die Amtsgerichte von Bagatellverfahren entlastet werden.
Aber auch für Sie als Hausbesitzer ist eine Schlichtung zunächst die bessere Lösung: So kostet in Nordrhein-Westfalen das sogenannte Schiedsverfahren nur zwischen 50 und 150 Euro. Weiterer Vorteil: Man kommt auf dieser Ebene der Auseinandersetzung noch ohne Anwalt aus. Zuständige Gütestellen finden Sie unter www.schiedsamt.de.
Ein alternativer Weg der Streitbeilegung kann eine Mediation sein. Der Mediator richtet nicht, sondern erarbeitet mit den Parteien eine für beide Seiten passende Lösung. Voraussetzung ist, dass die Streitenden bereit sind, den Konflikt gütlich beizulegen. Die Mediation ist teurer als eine Schlichtung, aber wesentlich günstiger als ein Zivilprozess mit Anwalt. Viele Rechtsschutzversicherungen decken übrigens auch eine Mediation ab.
Scheitern alle Versuche, den Streit mit dem Nachbarn gütlich zu regeln, steht Ihnen als letzter Ausweg der Klageweg offen. In der Hoffnung, dass Sie und Ihre Familie nach dem Richterspruch wieder unbeschwert in Ihrem Haus wohnen können.