Auf die Frage, was das für ihn Entscheidende sei, wenn er sich ein neues Sofa oder einen neuen Sessel für sein Wohnzimmer aussuchen würde, hat Rolf Demuth eine im ersten Augenblick verblüffende Antwort: „Sie müssen mich umarmen.“ Respekt. Der 67-Jährige versteht was von guten Möbeln. Er hat sein ganzes Berufsleben mit deren Herstellung verbracht und sein Faible für die schönen Dinge des Lebens mit seinem siebten Sinn für aufblühende Märkte zusammengespannt.
Treffend beobachtet: Ein wirklich gutes Sitzmöbel sollte uns tatsächlich, möglichst auf den ersten Blick, eine Umarmung versprechen. Der Beiratsvorsitzende der Schieder- Gruppe beschreibt, wie er sich diese Lust am neuen Sitzen vorstellt: Angenehm kundig im genau richtigen Maß für deutsche Pobacken und Knie, weder US-amerikanisch in unendliche Tiefen flauschiger Polster versinken, noch als Design-Experiment modestraffes Unbehagen signalisieren.
Die Freude auf Solides
Liebevolle, noch dazu verlässliche Umarmungen sind, wem sagen wir das, wohl auch bei Sessel und Sofa ein besonderes Erlebnis. Mündet die Hatz nach dem immer neuesten Trend und Kick womöglich in eine neue Freude an solide gemachter, edler Bequemlichkeit?
„Wir haben seit Mitte der 90er Jahre Leute vor allem fürs Sparen gefeiert“, resümiert Rolf Demuth. „Wenn aber die Jagd nach den geringsten Preisen und den niedrigsten Kosten weniger zu einer Demokratisierung des Schönen führt als vielmehr zu einer gnadenlosen Entwertung von fast allem Beständigen, sollten wir doch fragen, ob wir künftig nur noch den größten gefühlten Rabatt kaufen wollen …“
Nichts gegen das Niedrigpreissegment, die Internationalisierung der Märkte sorge da für steten Nachdruck. Aber auch oberhalb des Gewöhnlichen und unterhalb des Elitären lassen sich gute Geschäfte machen sofern man sich darauf besinnt, was anspruchsvollere Kunden wirklich mögen. Rolf Demuth ist überzeugt: „Wir brauchen zum IQ den EQ. Mit hohem Intelligenz- Quotienten Möbel clever und rationell zu produzieren, ist nicht mehr genug. Erst wenn der richtige emotionale Quotient hinzukommt, entsteht dieses Versprechen einer Umarmung.“
Wohnmöbel sind ein sinnlicheres Vergnügen, als viele denken. Und es ist keine Männerfantasie, die ein gut gebautes Möbel anziehend macht wie eine schöne Frau und die Berührung edlen Sofaleders etwas Zärtlich-Einladendes hat. Der Schieder-Chef hat in Milano studiert.
Er liebt das Land schon seiner facettenreichen Sprache, seiner opulenten Kriminalromane und ambitionierten Alltagskultur wegen. Aber: „Der Italiener kauft ein Polstermöbel, ohne zuvor darauf gesessen zu haben! Ein Kunst-Werk, an dem man sich, wie es sich bei einem Meisterwerk gehört, erst mal mit respektvollem Abstand erfreut.“ Rolf Demuth ist da anders, konventioneller, irdischer: „Ein Sitzmöbel muss man mit dem Gesäß kaufen!“ Im günstigsten Fall geht es wie mit guten Maßschuhen – passt. Man fühlt sich endlich verstanden.
Und mag sich auf Anhieb: Auch der Preis ist von dieser Welt. Nur der billige Jakob ist hier an der falschen Adresse.
Damit ist in groben Zügen der Anspruch skizziert, den Rolf Demuth seinem neu ausgerichteten Tochterunternehmen Viva Lederpolstermöbel mit auf den Weg gegeben hat: Wert-Arbeit aus Deutschland.
Nicht als finales Zusammenfügen auswärtiger Zulieferungen unter schwarz-rot-goldenem Label, sondern im besten Sinne des Wortes: Made in Germany. Vivas neue Kollektionen entstehen in der Mark Brandenburg. Auf halbem Weg zwischen Berlin und der Oder, in Storkow. Wo Näherinnen noch richtige Doppelnähte beherrschen. Und Polsterermeister sogar in eine einwandfreie Unterseite der von ihnen bezogenen Möbel allen Ehrgeiz stecken.
Eines der Flaggschiffe der neuen Viva-Sofaflotte in der Businessclass heißt „Wall Street“. Mit edlem Dickleder bezogen, einem zugleich strapazierfähigen und pflegeleichten, 1,3 Millimeter starken Semi- Anilinleder mit markanter Oberflächenstruktur und -pigmentierung.Designer Detlef Ott hat ein Ensemble entworfen, das den Visionen von Rolf Demuth erfreulich nahe kommt. Ein weiteres Kriterium guter Sitzmöbel ist für ihn nämlich: Man kann auch eine großformatige Zeitung in aller Ruhe lesen, ohne Körperschäden befürchten zu müssen.
Was für die Sitzpolster gilt, trifft auch für die Armlehnen zu: Sie sollten weder zu weich sein, noch zu hart, und vor allem in der idealen Höhe. Das ist übrigens bei Badewannen ähnlich: Wer entspannt darin sitzen und durchaus auch etwas länger etwas lesen will, hüte sich vor zu schmalen seitlichen Auflagen für die Arme. Bei der „Wall Street“ sind sie A4-Bogenbreit; sie dienen, legt man die Beine hoch, auch als bequeme Rückenlehne.
Hier sind die neuen Freiheiten intelligenter Entwürfe zu erleben: Im 2,5er- wie im Zweisitzer oder dem dazugehörenden Sessel lässt sich jede einzelne Sitzposition nach Lust und Laune variieren. Durch leichten Körperdruck bewegt sich das Rückenteil nach hinten bis in einen 124-Grad-Winkel, auf weiteren Druck neigt es sich auch bis 135 Grad. Zugleich schieben sich Fußstützen nach vorn die Füße hochlegen zu können, gilt mit Recht als Inbegriff von Relaxen.
Die neuen Viva-Kollektionen setzten aber auch bei der kreativen Auswahl des Materials Highlights. Aufsehenerrregende italienische Stoffe wie „Flora“ (mit Ranken), „Block“ (mit Streifen) und „Fine“ (mit Struktur) in ausgesprochen edlen Farben schmeicheln als Schmuckkissen der neuen Sofalandschaften dem Auge. Eine Klasse für sich sind die neuen Kombinationen dieser Stoffe mit Leder auf den Sitzen und Armlehnen aus Lloyd Loom. Letzteres erinnert optisch an handgeflochtene Weiden oder Rattan, ist ähnlich robust, hat aber nicht deren Nachteile: Lloyd Loom hält seine Form, knackt und knistert nicht, beugt sich nicht und bricht nicht unter der Last des Sitzenden, verärgert also auch nicht mit tückisch scharfen Kanten, an denen sich Strümpfe und Hosen so gern einhaken.
Gut zu wissen: Es ist nicht nur optisch hochwertig, sondern ein ökologisches Material auf der Basis natürlicher Zellulose. Nachhaltigkeit ist heute eine Dimension des Kreativen. Für Rolf Demuth ist der größte Kreateur das Leben selbst: „Wir wohnen anders als früher. Damals dienten opulente Sofalandschaften durchaus als repräsentatives Statussymbol. Heute erfüllen sie als schönes Rückzugsziel nach getaner Arbeit eher intimere Erwartungen nach Harmonie, Ruhe und Entspannung.“
Das Erleben guten Stils
Auf der anderen Seite: das neue Entertainment. Das sich nicht auf Riesenfernseher beschränkt. In den neuen XXL-Wohnräumen feiern auch die Esstische für die großen Tafelrunden Einzug eine Freude für jeden Möbelhersteller. Diese neue Koch- und Esskultur zu Hause sucht sich nun Stühle und Sessel, auf denen man auch drei Stunden am Stück bequem sitzen kann. Esslust als Sitzlust was will ein Möbler mehr?!
Logisch, dass bei den jüngsten Viva-Kreationen außer Sofas auch die Bequem-Sessel für den Esstisch mit bedacht sind. Über die Chancen neuer deutscher Wertarbeit ausdrücklich unterhalb abgehobener Exklusivität nachdenkend, sieht Rolf Demuth aber auch die mit der Rabattitis zu oft in die Großfläche abgerutschten Möbelverkaufsformen als ernsthaftes Problem. Qualität ist erklärungsbedürftig, erfordert profunde Fachkenntnis. Vielleicht sogar eine neue Möbelkaufkultur. In der die Freude am Erleben guten Stils wieder ganz oben steht.